Unser zweites Kitajahr

Beim letzten Mal hast Du erfahren, dass unser Sohn erst mit viereinhalb in die Kita kam. Somit hatte er nur zwei Kindergartenjahre. Wie es das Schicksal so wollte, zog meine Familie nach dem ersten Kindergartenjahr von München in die Westpfalz. Und dort begann ein neues Kitajahr für unser Kind.

Die neue Kita

Jetzt muss ich erwähnen, dass die Kita zwar wieder kirchlich geführt war, wie in München auch schon, allerdings war hier die Leitung eine Nonne. Vielleicht verdrehst du jetzt die Augen, doch lass Dir erzählen, dass wir es nicht besser hätten treffen können!

Diese Nonne hatte ihre Berufung gefunden und zwar nicht nur als Schwester eines Kirchenordens, sondern auch als Kindergartenleitung. Als wir sie kennenlernten, führte sie diese Kita schon 40 (!) Jahre und war erst Anfang sechzig. Ja, Du liest richtig! Sie hat mit 20 Jahren die Kindergartenleitung aus einer Not heraus übernommen und nicht wieder abgegeben. Bereits die Enkel ihrer ersten Kinder waren nun in ihrer Obhut. 

Als sie unseren Sohn kennenlernte, merkte sie sehr schnell, das er anders war als andere Kinder. Im Gegensatz zum Jahr davor, wo die Begeisterung groß war, dass es sich um ein „so ruhiges Kind“ handelte, stellte sie konkrete Fragen, wie sie mit ihm umgehen soll. 

Auch in dieser Kita gab es eine offene Vesperpause und wie im vergangenen Jahr saß er die ganze Zeit und belegte einen Platz. Nur diesmal hat er nicht mit der Reaktion der Schwester gerechnet. Sie frage uns, ob sie ihn, nach einer angemessenen Zeit, vom Brotzeitplatz verweisen dürfte. Ihr Kindergarten, ihre Regeln! Sie durfte! 

Natürlich versuchte er auch hier seine „ich habe noch Hunger“ – Nummer abzuziehen. Daraufhin setze sich die Schwester zu ihm und besprach mit ihm, wie viel Zeit er jetzt noch zum Essen hätte, bevor er den Platz für ein anderes Kind frei machen müsse. Und (!) sie achtete darauf, dass diese Absprache eingehalten wurde.

Was passierte? Erstaunlicherweise respektierte er das! Was zeigt uns das? Absprachen, die er logisch fand, hielt er ein!

Die Schwester hat einen ganz natürlichen Weg gefunden, den jedes Kind akzeptiert!

Sie fragte nach. Warum bleibst du so lange sitzen? Magst du nicht lieber spielen gehen?

Sie erklärte. Es gibt nur vier Plätze, wenn er einen die ganze Zeit belegt, dann ist zu wenig Zeit für die anderen Kinder.

Sie bot neue Möglichkeiten an. Zum Beispiel sorgte sie für neuen Lesestoff! In dieser Kita gab es einen großen Affen, den er, wenn er sich an ihre Regeln hielt, mit nach Hause nehmen dürfe, damit er Abends nicht so allein ist. Nicht geschenkt, nur als Übernachtungsgast! Und der Affe war oft bei uns zum Schlafen!

Was will ich dir damit sagen? Die meisten autistischen Kinder sind offen für klare Ansagen, logische Argumente und vor allem Zugewandtsein. Nicht jede Erzieherin mag das gleiche natürliche Gespür besitzen, wie unser Nonne aus der Kita, doch in meiner Arbeit in Kitas bin ich noch keiner und keinem begegnet, die nicht gerne mit den Kindern arbeiten. Meist ist die eigene Unsicherheit und Unkenntnis die Hürde. Ich möchte dich einladen, sprich offen mit den Erzieher*innen deiner Kita. Gemeinsam findet ihr sicherlich Lösungen. 

Herzlichst,  Deine

PS. Schau gerne in meine Workshops, vielleicht freut sich deine Kita über eine Empfehlung?

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